Das Märchen von meinem
Urgroßvater Huygens
Herrchen hat mir ein Bild von so ganz früher gezeigt – ein Gemälde, das vor ungefähr 400 Jahren gemalt wurde. Darauf war ein Kooiker zu sehen, der mich interessierte. Er hatte die gleiche Blesse wie ich als Welpe. Ich schaute das Bild intensiv an und dachte nach, wurde immer müder und fing an zu träumen …
Weinen, bitten und flehen hörte ich als Erstes. Es roch nach Rauch und ein leichtes rotes Flackern tauchte den dunklen Raum, in dem ich stand, in ein interessantes Licht. Vorsichtig und schnüffelnd, ging ich auf das Zimmer mit den Stimmen zu.
Eine junge Frau saß auf einem Himmelbett und schaute traurig zu dem Mann, der nachdenklich durch das Zimmer schreitet.
„Sarah, was sollen wir nur machen. Huygens will die Eenden (Enten) nicht mehr scheuchen und es geht ihm nicht gut. Als ihn der Rechter (Richter) in der Taverne streicheln wollte und Huygens nach seiner Hand schnappte, da begann sein Leid. Der Rechter betoverde (verwünschte) Huygens und sprach eine magische Formel. Seither ist Huygens so anders.“
„Lieber Mann, ihr seid so tapfer und habt uns in schon so vielen Gefahren geholfen. Nun hört, mit Verlaub, auf eure Frau Sarah. Die magische Formel lässt sich nur mit göttlicher Kraft in ihre Schranken weisen.“
Auch wenn die beiden etwas anders sprachen als Herrchen und Frauchen zu Hause, konnte ich sie doch gut verstehen. Etwas stimmt mit dem Kooiker nicht, der schlafend auf dem Boden vor dem Bett lag.
Zu beschäftigt waren die beiden, als dass sie mich bemerkten, wie ich zu dem anderen Kooiker ging.
Ich schnüffelte an ihm und er roch so ganz anders als die Hunde, die ich bisher kannte. Doch der Geruch war angenehm vertraut. Er sah mager aus. Mager und etwas kraftlos. Seine Blesse am Kopf zeigte eine Ypsilon-Form. Aber … aber hatte ich nicht auch so eine bei meiner Geburt? Sie ist über die Zeit bei mir etwas verloren gegangen. Aber genau so eine hatte ich. Auch das weiße Fell im Nacken war bei mir gleich. Ich schaue nach seiner Rute, doch da war kein schwarzer Kringel wie bei mir. Und dennoch glichen wir uns sehr.
Dann stupste ich ihn mit meiner Nase an. „Hey, müder Freund, wer bist denn du?“
Müde schaut er mich an: „Meine Herrschaften nennen mich Huygens, nach einem Gelehrten, der vor einigen Jahren eine Pendeluhr erfand. Mir soll das Recht sein. Aber meinen wahren Namen kennen sie nicht. Wie auch. Sie sprechen nur wenig mit mir, hören mir nicht zu, und ich kümmere mich meist um mich selbst. Und wer bist du?“
„Meine zwei Großen nennen mich Darwin. Das war ein Wissenschaftler, der eine Theorie aufstellte, wo wir alle herkommen und von wem wir abstammen. Ich finde den Namen klasse und hatte den mit acht Wochen bekommen, als ich noch ein Welpe war. Was meinst du denn mit wahren Namen?“
„Jeder Kooiker hat einen wahren Namen, den er aber suchen muss. Du musst drei Jahre zählen, bevor du dich auf die Suche machen kannst. Wenn du deinen findest und ihn deinen Herrschaften mitteilst, was noch eine weitere Herausforderung sein wird, könnt ihr miteinander ganz normal sprechen. Rufen Sie dich dann mit diesem Namen, kommst du sofort zu deinem Herrchen, egal wo du bist, zurück. Du kannst jeden Trick, den sie dir zeigen, ausführen. Du kannst alles in weitesten Entfernungen erschnüffeln, springst über jede Hürde, tauchst in tiefste Gewässer und rennst so schnell wie ein Pferd.“
Bei diesem Gedanken überlege ich, ob ich meinen wahren Namen wirklich wissen möchte.
„Was ist denn mit dir los? Deine Herrschaften reden davon, dass du mehr oder weniger krank bist und es dir nicht gut geht.“
„Der Rechter hatte mich betoverd, also mit einem Bann belegt. Und das nur, weil ich mich erschrocken hatte, als er mich streicheln wollte. Da hatte ich nach seiner Hand geschnappt. Und nun geht es mir schlecht. Ich mag kein Futter mehr essen, für die Enden scheuchen habe ich keine Kraft und ich bin immer müde.“
„Wohl an, sagt mir Tobias, was wir machen sollen. Der Eendenfang müsse wieder gefüllt werden und das kann nur geschehen, wenn Huygens uns hilft.“
Kooiker Tobias schaute seine Frau an, die vom Bett herunter auf die Knie glitt. "Komm und mache er es mir gleich. Knie hin und wir beten um einen Engel, der uns helfen kann."
Tobias kniete sich neben Sarah und beide beteten um göttliche Hilfe.
Ui, das war damals schon echt anders. Und die Zwei kannten sich mit Beten gut aus.
Huygens senkte seinen Kopf zum Schlafen und sah nicht, wie auf einmal einige kleine Enten in vermenschlichter Form, am Bettende auftauchten. Sollten das nun die Eenden sein, die Huygens scheuchen sollte?
Huygens, Sarah, Tobias, Darwin, Raphael
Ich schaute beide an, wie sie für Huygens baten und flehten und bemerkte nicht, wie hinter mir aus der Glut am Ofen noch mehr Rauch aufstieg und ein Bursche erschien. Doch mit was für einem Monster kämpfte er da? Der Drache wehrte sich mit seinen Krallen und schlug mit seinem Schnabel um sich. Seine nackte Rute peitschte um den Leib des Burschen und er krächzte schaurige Töne. Er war der Bann, mit dem Huygens vom Rechter belegt worden war. Der Bursche mit Flügeln hatte ihn direkt aus dem Herzen Huygens gezogen.
„Raphael, hilf uns in der Not und befreie unseren Kooiker von dem Schlechten, was ihm widerfuhr.“
Der junge Mann in dem grünen Leibchen hieß also Raphael. Nicht schlecht, wie er den Dämon tranchierte und über dem Feuer grillte. Aber, dass er Flügel hat? Vielleicht war das ja der Engel der Kooiker, und Engel haben dann wohl Flügel. So was wie eine Superente, die allen Kooikern in Not beisteht?
Noch während des Kampfes löste sich Raphael mit dem Drachen auf und beide verschwanden im Rauch. Er hat ihn mitgenommen, auf dass er keinem Kooiker mehr Leid zufügen kann.
Huygens blinzelte und machte die Augen auf. „Hey, wie geht es dir?“
„Welch eine Last ist mir genommen. Ich fühle mich wieder stark, habe Hunger und will Eenden scheuchen. Kommst du mit?“
Sarah und Tobias freuten sich, als sie sahen, dass es Huygens wieder gut ging. Frauchen bereitete einen Napf mit Futter vor und Herrchen füllte eine Schale mit Wasser.
„Nein, ich komme nicht mit. Das ist allein deine Aufgabe und du bist wieder Herr über deine Reusen. Scheuche die Eenden, auf dass sie deinen Herrschaften einen guten Lohn bringen.
Ich bin nun auch müde und werde mich ein wenig auf deinen warmen Platz legen, wenn ich darf.“
„Darwin, lege dich ruhig hin. Aber bevor du einschläfst, möchte ich dir sagen: Suche deinen wahren Namen an deinem Geburtsort, in einem Tal, in dem ein Bach fließt. Suche dort, am Osttalrand mit den Weiden, nach einem großen Stein über den das Wasser fließt. Trinke dort von dem Wasser und du wirst deinen Namen sprechen können.“
Meinen Namen sprechen können …, einen Bach finden …, wo wurde ich geboren? …, muss mit Herrchen sprechen können …, und da schlief ich auch schon ein.
„Herr Darwin vom Elsebachtal, kommen Sie bitte, Gassi gehen“, sagte Herrchen in einem fröhlichen Ton. Vor meiner Nase wedelte ein blaues Geschirr hin und her. Hineingeschlüpft und festgemacht, lief ich zur Wohnungstür. Am Sofa lehnte noch das Bild, vor dem ich eingeschlafen war. Vielleicht war der Kooiker darauf mein Urgroßvater? Die Blesse, der Geruch und diese Vertrautheit?
Was hatte Herrchen eben gesagt? Da war doch was mit Bach und Tal in meinem Namen, und davon hatte auch Huygens gesprochen. Ich muss dahin, wo ich geboren wurde. Das Elsebachtal suchen, wo neue Abenteuer auf mich warten.
Das ursprüngliche Bild ist von dem holländischen Maler Jan Steen, der 1625 in Leiden geboren wurde. Auf seinen Gemälden sind oft Kooikerhondje zu sehen. Das Bild in der Geschichte wurde digital umgearbeitet, damit es zu ihr passt. Es ist keines Falls ein Werk von Jan Steen. Der zweite Kooiker, der Darwin darstellen soll, ist aus einem weiteren Werk von Jan Steen entnommen und modifiziert worden.
Quelle: Wikimedia Commons
Originalbild: Jan Steen
Die Hochzeitsnacht von Tobias und Sarah